Foto: Peter Rost
In diesen Tagen wird in allen Medien über die Wiedereröffnung der Anna Amalia Bibliothek in Weimar nach Brand und Sanierung berichtet; die Fernsehübertragungswagen sind aufgefahren und auf der Wiese vor Schloss und Bibliothek wartet ein großes Zelt auf die Ehrengäste.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an einen Mann zu erinnern, dessen Leben unmittelbar mit dieser Bibliothek aufs Engste verflochten ist, der aber dennoch in der Geschichte des Hauses nur am Rande erwähnt wird, obwohl er sein ganzes berufliches Leben zwischen den Büchern und Bildern der Bibliothek verbrachte:
(Foto: Archiv Rost)
Am 1. Dezember 1905 trat Dr. Paul Ortlepp nach Beendigung seiner Studienzeit bei der damaligen Großherzoglichen Bibliothek als Volontär ein. Er hatte Kunstgeschichte, Philologie und Philosophie in Jena, Heidelberg und Berlin studiert und promovierte 1906 in Jena mit einer Arbeit über Sir Joshua Reynolds zur Geschichte der Ästhetik des 18. Jahrhunderts. 1907 wurde er zum Bibliothekar ernannt und wirkte unter den Direktoren Paul v. Bojanowski und Werner Deetjen. Bedeutsame Leistungen waren 1911 der Katalog der Kaiserin-Augusta-Ausstellung sowie Arbeiten über Schillers Privatbibliothek und Schiller als Nutzer der Großherzoglichen Bibliothek.
Die Rassenpolitik des III. Reiches machte auch vor Familie Ortlepp nicht halt: In einem Schreiben des Reichsstatthalters in Thüringen an den Thüringer Ministerpräsidenten vom 22. Juni 1937 empfiehlt ein Dr. Oberländer, den Bibliotheksrat Dr. Paul Ortlepp nicht in seiner Stelle zu belassen, "Anlass dazu ist eine ungünstige politische Beurteilung über Ortlepp." Auch Denunziationen von Nachbarn werden erwähnt, die Ehefrau ist Jüdin. Im Zuge des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wird Paul Ortlepp zum 31. Dezember 1937 in den Ruhestand versetzt, da er die Trennung von seiner jüdischen Ehefrau verweigert. 1943 wird Lucy Ortlepp in Auschwitz ermordet.
1945 wurde Dr. Paul Ortlepp rehabilitiert und von Hermann Brill am 12. Mai 1945 zum Direktor der Landesbibliothek ernannt. Seine Pläne zur Entwicklung der Bibliothek konnte er nicht mehr umsetzen; am 24. Juli 1945 starb er frisch operiert an den Folgen der Räumung des Sophien-Krankenhauses durch die Rote Armee. In seinem Beitrag "Die Thüringische Landesbibliothek 1919 - 1968" ("Herzogin Anna Amalia Bibliothek - Kulturgeschichte einer Sammlung" 1999 Stiftung Weimarer Klassik) schildert Roland Bärwinkel, wie Ortlepp das in Kisten und Körben verpackte Hab und Gut einer Jüdin, Susanne Türk, die im Oktober 1933 aus Deutschland fliehen mußte, in der Bibliothek neben der Habe Maria Pawlownas unterbrachte und so über die Nazizeit rettete.
Arbeitsplatz in der Bibliothek (Foto: Archiv Rost)
Wenn am 24. Oktober 2007 die Wiederauferstehung der (nunmehr) "Herzogin Anna Amalia Bibliothek" gefeiert wird, soll dieses Schicksal stellvertetend an die wechselvolle Geschichte des Hauses und seiner kostbaren Bücher erinnern.
Das Wohnhaus der Familie Ortlepp 1927 in Weimar - damals auch ein Stein des Anstosses. Heute wohnen wir darin. Aber das ist bereits eine andere Geschichte. (Foto: Archiv Rost)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen