"Er war ein gut aussehender Junge mit einem schönen Lächeln und Hasenzähnen." So beschreibt Mustafa Wasiri, Direktor der ägyptischen Ausgrabungsstätte Tal der Könige den Leichnam des Pharao Tutanchamun, der in seinem Grab seit Anfang November nun der Schaulust des Touristenpublikums ausgesetzt wird. In einer klimatisierten Glashülle soll die Mumie des Pharao vor Zerfall und Zerstörung geschützt werden.
Aber warum muß die Hülle durchsichtig sein? Doch offensichtlich nur, um mehr Touristen anzulocken und deren Sensationsgier zu befriedigen. Kristina Bergmann schreibt im Feuilleton der "Neuen Züricher Zeitung", "dass die Ausstellung der Mumie an billige Sensationslust, an abstoßende Enthüllung, ja an Leichenschändung grenzt." Dabei hatte der Totenkult der alten Ägypter genau dies nicht zum Anliegen; die Toten sollten "sicher und gut begleitet in die andere Welt fahren" und nicht zu einer willkommenen Geldquelle für die Nachkommen werden. Spiegel-online: "Das in den Jahrtausenden schwarz gewordene Gesicht soll Touristen in das Tal der Könige im ägyptischen Luxor locken."
Noch ein anderer Aspekt beschäftigt mich, wenn ich die Bilder des toten Pharao sehe: Immer öfter und mit großer Intensität werden unsere Mythen und Geheimnisse entzaubert und in das Licht der Öffentlichkeit gerissen, aus Sensationslust und Geschäftssinn. Da wird z. B. die Titanic aus ihrem Dauerschlaf auf dem 4000 m tiefen Meeresgrund geweckt und gnadenlos ausgeschlachtet. Für ca. 35.000 € ist es möglich, in einer Kapsel zum Wrack hinab zu tauchen. Ken Marschall´s atemberaubende zeichnerische Darstellungen zeigen auch das nicht Sichtbare auf dem Meeresgrund und machen es zum banalen Bestandteil der medialen Sensationen. Eines der großen Geheimnisse, die Kinder und jung gebliebene Erwachsene so lieben, waren Suche und Entdeckung des Felsengrabes des Pharao Tutanchamun. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr mich als Schüler die Schilderungen der Archäologen über die Ausgrabungen fesselten (in der Kreisbibliothek Mühlhausen hatte mein großer Bruder ausgeliehen und mich mit lesen lassen: Howard Carter, Arthur Mace: Tutanchamun. Ein ägyptisches Königsgrab. 3 Bde. Leipzig 1927).
Die drei Bände haben mich mehr gelehrt über das Pharaonenreich als all die heute erhältlichen Prachtbände; sie waren authentisch und zeitnah, bei allem blieben Dunkel und Mysterium erhalten und faszinierte. Heute aber wird alles, auch ein Leichnam, ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und takt- und rücksichtsloser Schaulust preisgegeben.
Nameskartusche des Tutanchamun:links der Thronname: NEB-CHEPERU-RE (Herr der Erscheinungsformen ist Re)
rechts die Namenskartusche: TUT-ANCH-AMUN (Lebendes Abbild des Amun)
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